Bildungslandschaften in Bewegung
Aktuell vollzieht sich in der deutschsprachigen Bildungsdiskussion ein eindeutig bemerkbarer Wandel, der sich in den physischen Räumlichkeiten nur bedingt niederschlägt.
Während man in Einzelfällen bei Neubauten von Bildungseinrichtungen neue räumliche Konzepte anbietet, ist der überwiegende Anteil der Bestandsbauten an traditionellen Lehr- und Lernformen orientiert, die sich nur schwerlich für die gewandelten Anforderungen adaptieren lassen.
Durch veränderte Lebensbedingungen und neu erkannte Bedürfnisse der Kinder steigen die Erwartungen an die pädagogische Arbeit stetig. Trotz vieler Aspekte des Wandels unserer Gesellschaft bleiben die Räumlichkeiten von Bildungseinrichtungen seit Jahrzehnten gleich.
Darüber hinaus wird in der bildungspolitischen Debatte deutlich hervorgehoben, dass Bildung weit über die Institution Schule hinausreicht. Leitbild ist die kommunale Bildungslandschaft mit ihren vielfältigen Einrichtungen und Angeboten. Folglich sollten räumliche Planung und Bildungsplanung im Sinne eines vernetzten Bildungsprozesses zusammengebracht werden. BildungsakteurInnen sollten im Rahmen verbindlicher und kleinräumlich orientierter Kooperationen an der integrierten Stadtentwicklung beteiligt werden. Und umgekehrt sollte das Engagement der Bildungseinrichtungen für den Stadtteil und die Stadtentwicklung eingefordert werden.
Zeitgemäße Bildungskonzepte werden »im Raum« vermittelt. Leitbilder der räumlichen Planung sind an Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft, an individueller Entfaltung, an gesellschaftlicher und ökologischer Brauchbarkeit von Wissen, sowie an lebenslangem Lernen in sich schnell verändernden Kontexten orientiert. Bildungs- und Lernprozesse werden heute in Räumen gedacht, die Geborgenheit und Offenheit gleichermaßen möglich machen und eine Balance von Entfaltung, Kooperation, Entspannung, Aufmerksamkeit, Bewegung und gesunder Ernährung erlauben.
Damit einhergehen veränderte Lernformen und Lernwerkzeuge, die bereits im Planungsprozess zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig wird das Wissen über die notwendige Beschaffenheit von adäquaten Bildungsräumen jedoch aufgrund des schnellen technologischen, sozialen und ökologischen Wandels immer unüberschaubarer. Und auch die Diskussion um die bekannten und unbekannten Aspekte der Raumwahrnehmung, Raumaneignung und Raumproduktion verstärkt sich zusehends.
Die Zusammenhänge von Bildung und Raum sollten daher auf innovative und interdisziplinäre Weise bearbeitet werden: Bildung, gesehen als das räumlich situierte, reflektierte Verhältnis zu sich, zu anderen und zur Welt.
Es ist die Aufgabe der Architektur und Stadtplanung, eine angemessene Umgebung für das Lernen bzw. Lehren sowie auch qualitativen Lebensraum zu gestalten. Somit leistet die Forschungsgruppe „Bildungslandschaften in Bewegung“, einen räumlichen Beitrag zur Etablierung von Bildungslandschaften, der sich den Bildungsaufgaben unserer Zeit stellt.
Wien, Juni 2018
Forschungsteam »Arbeitsraum Bildung«, TU Wien
Anmerkung: Textteile der o.a. Vorstellung der Forschungsgruppe „Bildungslandschaften in Bewegung“ sind der gleichnamigen Publikation, erschienen im Verlag Sonderzahl, Wien April 2018, entnommen. Corina Binder, Karin Harather, Christian Kühn, Dörte Kuhlmann, Christian Peer, Emanuela Semlitsch, Renate Stuefer, Katharina Tielsch, Claudia Maria Walther (Hrsg.): „Bildungslandschaften in Bewegung. Positionen und Pratiken“, Verlag Sonderzahl, Wien 2018. ISBN 978 3 85449 507 9