Zurück zur Übersicht
Sommersemester 2017
TU Wien Fakultät für Architektur und Raumplanung

DISPLACED ist ein kunstbasiertes, sozialräumliches Lehr- und Forschungsprojekt, das soziale Arbeit und soziales Lernen als wichtige und unmittelbar gesellschaftsrelevante Themen in das bestehende Curriculum implementiert: In wechselnden universitären und außeruniversitären Kooperationen arbeiten Masterstudierende und Lehrende gemeinsam mit Asylsuchenden im Rahmen von Wahlpflichtlehrveranstaltungen, um bedarfsorientierte, informelle Bildungsräume im Maßstab 1:1 zu gestalten.

Initiiert und geleitet von Karin Harather und Renate Stuefer ist dieser im Mai 2015 gestartete offene Prozess ein Outcome des »Parlaments der Fragen« und der sich daraus konstituierenden Fakultätsplattform »Arbeitsraum Bildung«. 

Angesichts der aktuellen und vorhersehbaren gesellschaftlichen Herausforderungen wird das Gesamtprojekt kontinuierlich weitergeführt und modifiziert, um exemplarische Zugänge zu erarbeiten und diese sukzessive zu verstetigen. Denn innovative Bildungslandschaften werden auch hier – in diesem besonders sensiblen Bereich der Migration und Zuwanderung – dringend benötigt.

Das Verlassen des angestammten Lehr- und Lernorts Universität und die gezielte Einbindung von kunst- und architekturbezogener Lehre und Forschung in die gelebte Alltagsrealität von Not- und Übergangsquartieren ist ein wesentliches Moment unserer Aktivitäten.
In definitionsoffenen Prozessen und durch gestalterisches Handeln entstehen Bildungsräume, die atmosphärische Räume des Zusammenkommens sind, die das Mit- und Voneinander-Lernen und die Begegnung auf Augenhöhe ermöglichen – Bildungsräume, in denen Inklusion tatsächlich gelebt wird. Mit fachspezifischem Know-How werden essentielle und längerfristig wirksame Handlungsoptionen gemeinsam entwickelt, um das entstehende Wissen, die gesammelten Erfahrungen und die wachsenden Netzwerke zu bündeln, strategisch zu stärken und über geeignete (Akteurs-) Konstellationen nachhaltig zu  positionieren.

Im Sommersemester 2017 waren diese beiden inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmten DISPLACED-Lehrveranstaltungen Teil des interdisziplinär angelegten Lehr- und Forschungsprojektes »Place of Importance« (Harather, Peer, Semlitsch, Stuefer 2016) und optionale Kombinationsfächer des Sondermoduls »Bildungslandschaften in Bewegung«.


DISPLACED. 1:1-Studio Settings

März – April 2017
Beginnend mit März 2017, richtete sich der LVA-Fokus zunächst auf das Studio. DISPLACED: Dies ist ein noch fahrtüchtiger Gelenkbus der Wiener Linien, der ausgehend von unseren bisherigen DISPLACED- Aktivitäten vom design.build studio-Team im WS 16/17 zu einem mobilen Raumaktivierungslabor umgebaut wurde und derzeit ein weiteres räumliches Modul im Verband von OPENmarx bildet (vgl. http://www.futurelab.tuwien. ac.at/openmarx/studio-displaced)

Über »1:1-Studio Settings« wurde ein Buddysystem aufgebaut und das Studio. DISPLACED als flexibel nutzbarer Raum, aber auch als Plattform für integrative Tätigkeiten aktiviert: In einem ersten Schritt luden wir Asylsuchende, die im nahegelegenen Haus Erdberg wohnen, zu einer Jause ein, um das Studio und OPENmarx als Ort des Austauschs und Möglichkeitsraum für gemeinsames, integratives Tun bekannt zu machen. Über das gemeinsame Essen und spielerische Aktivitäten wurden persönliche Kontakte angebahnt und ein niederschwelliger Wissensaustausch in Gang gesetzt, um die jeweiligen Skills und Interessen der Beteiligten zu erkennen. In einem weiteren Schritt fanden sich die Studierenden mit Asylsuchenden zu themenspezifischen Kleinteams zusammen, jede/r StudentIn war »Buddy«, also Ansprech- und Bezugsperson für bis zu drei AsylwerberInnen. Die konkreten raumbezogenen Anforderungen, die vorgegebenen Nutzungs- und Rahmenbedingungen, die individuellen Vorstellungen der AkteurInnen und die teamspezifischen Aushandlungsprozesse wurden damit zum Katalysator der Raumproduktion. Es galt, vorhandene räumliche Potenziale aufzuspüren und zu nützen, mit neuen 1:1-Settings zu kombinieren oder zu ergänzen, neue Ressourcen zu erschließen, Netzwerke aus- und aufzubauen. Über gezielte Aktivitäten und Programmideen gelang es, neben dem Haus Erdberg auch weitere
Nachbarschaften miteinzubeziehen und OPENmarx als offene, multikulturelle Bildungslandschaft zu etablieren, in der das Studio.DISPLACED einen räumlichen Ankerpunkt und zugleich eine Vernetzungsplattform für das bildungsrelevante solidarische Miteinander bildet.

Ein wesentlicher Anspruch von »DISPLACED. 1:1-Studio Settings« war, dass die kooperativ erarbeiteten Projektvorhaben von den AsylwerberInnen auch nach Ende der Lehrveranstaltung eigeninitiativ und selbstverantwortlich weitergeführt werden können. Zu einem fixen Bestandteil der offenen Bildungslandschaft OPENmarx wurden mittlerweile: 

  • OPENrepair: zwei Werkstatt settings (Fahrräder und Kleingeräte)
  • OPENkitchen: unterschiedliche Settings für Kochevents (Holzkohlengrill, Gasherd, Lehmbackofen – gemeinsame Essenszubereitung an langen Lehrveranstaltungstagen, Caterings bei Veranstaltungen u.v.m.)
  • OPENgardening: Settings für Bepflanzungen (Gemüsebeete anlegen, Pflanzgefäße herstellen/bauen) 
  • OPENcinema: Settings für Kurzfilmdrehs, Settings für Videonachmittage/ -abende im Studio.DISPLACED 


DISPLACED. 1:1-Assembling Stories

April – Juni 2017
Dieses zweite Stegreifentwerfen startete nach der Osterpause und schloss konzeptuell, zeitlich und organisatorisch an die Aktivitäten der »DISPLACED.
1:1-Studio Settings« an. Im Maßstab 1:1 gestalten auch in dieser Lehrveranstaltung nicht nur die räumlich/objekthaften Umsetzungen, sondern ebenso die menschlichen Beziehungen:
Aus unseren bisherigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Menschen, die Fluchterfahrungen haben, wissen wir, wie wichtig der persönliche Kontakt, das gemeinsame sinngebende Arbeiten auf Augenhöhe, das Eingebunden sein und Akzeptiert werden sind. 

Die Materialisation der Ideen bringt Spuren mit, nimmt Spuren auf, kann altern und Geschichten über Identität erzählen.
Das gemeinsam Geschaffene machte sich teils auch auf den Weg – an andere Orte und Plätze oder in das private Umfeld der GestalterInnen. Es wird zum unmittelbar nutzbaren Alltagsgegenstand ebenso wie zu einem mobilen Archiv, ist Zeugnis der entstandenen Planungs-, Produktions- und Verortungsprozesse, spiegelt Zugänge und Interessen und beinhaltet Gestaltungs- und Wirkungsforschung.
Es erzählt nonverbal von Flucht, Ankommen, Kooperation, neuen Freundschaften und Lebensqualitäten.