Räume für das Lernen und Lehren im digitalen Zeitalter

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Die Digitalisierung verändert generell unsere Art, Wissen zu erwerben und zu verwalten, miteinander zu kommunizieren und Geschäfte zu machen. Für das Lernen und Lehren bietet die Digitalisierung ein enormes Potential, Lernende zu stärken: durch autonomen Zugang zu Wissen und durch neue Formen der Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden. Allerdings birgt diese Entwicklung auch Gefahren, wie etwa kognitive Überlastung und Abkapselung durch Immersion in digitale Welten. Unter diesen Bedingungen hat Architektur eine wichtige stabilisierende Funktion. Sie muss Räume anbieten, in denen sich Gruppen unterschiedlicher Größe wohlfühlen und sich auch zurückziehen können. Die Ästhetik dieser Räume muss eine Atmosphäre von Gemeinschaft und Solidarität vermitteln, da Lernen heute auf sozialer Interaktion in heterogenen Gruppen aufbaut.

Im Bereich des Bildungsbaus hat insbesondere das Konzept des »inverted classrooms« Auswirkungen auf den funktionalen Raumbedarf. Wenn der bisherige Frontalvortrag in erster Linie individuell über digitale Medien konsumiert wird, stellen sich für konstruktive Phasen in der Schule neue Anforderungen, die eher in einem flexibel organisierten Großraum mit Potential zur Nischenbildung befriedigt werden können. Für das individuelle Lernen über digitale Medien werden sich neue Arbeitsstile und Mischformen mit unterschiedlichem Raumbedarf ergeben, für den architektonische Lösungen zu entwickeln sind.

Der digitale Wandel verändert in erster Linie die Art, wie wir lernen, und bis zu einem gewissen Grad, was wir lernen. Er gibt jedoch keine Antwort auf die zentrale Frage, wozu wir lernen. Klar ist in vielen Bereichen eher, was wir nicht mehr lernen müssten. So ist es so gut wie sicher, dass es in 20 Jahren keinen funktionalen Grund mehr geben wird, eine Fremdsprache zu erlernen. Übersetzungen von einer Sprache in die andere werden auf einem alltagstauglichen Niveau digital und in Echtzeit erfolgen. Das bedeutet hoffentlich nicht, dass wir auf das Erlernen fremder Sprachen verzichten werden. Die Digitalisierung zwingt uns allerdings dazu, neue, weniger utilitaristisch begründete Motive für den Wissenserwerb zu finden bzw. wiederzuentdecken.

TU Wien

Abteilung für Gebäudelehre und Entwerfen am Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien